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Samstag, 20. September 2014

Freiheit gestalten

Wie kann die Qualität der Architektur in Holzkirchen verbessert werden?

Ich gebe zu, dass ich zunächst große Vorbehalte gegen den Antrag von Gemeinderätin Irmi Ammer (SPD) hatte, im Gemeinderat über die Möglichkeit der Einführung sogenannter »Gestaltungssatzungen« zu diskutieren.
Ein Gespräch unter Laien, die wir als Gemeinderäte in Fragen der Architektur nun einmal sind, über die angeblich einzig  »traditionelle« Dachform, über Fensterkreuze, Gauben und die Farbgestaltung von einzelnen Wohnhäusern, womöglich bis hin zu der Frage der Zulässigkeit von Gartenzwergen, erschien mir doch wenig zielführend (siehe meinen Post Gestaltungssatzung).

Die Sonder-Sitzung aber war wider Erwarten ein voller Erfolg. Nicht nur, weil es in Holzkirchen auch weiterhin keine Gestaltungssatzungen geben wird.

Auch in Gebieten in denen kein Bebauungsplan mehr gilt, oder es noch nie einen gegeben hat, wird gebaut. Hier wird ein Haus abgerissen, dort wird ein Grundstück geteilt und es findet sich eine Baulücke. Nach welchen Normen darf hier gebaut werden, welche Form der Mitgestaltung hat der Gemeinderat?

So keine anderweitigen Beschlüsse gefasst sind, handelt die Verwaltung die Bauanträge nach §34 Baugesetzbuch ab. Demnach muss sich das Bauvorhaben nur »einfügen«. Dieses Einfügegebot wird durch die Rechtssprechung auf die Art der baulichen Nutzung und das Bauvolumen des Baukörpers beschränkt. Weitere Vorgaben, z.B. zur Dachgestaltung, darf die Verwaltung gar nicht setzen, der Gemeinderat wird nicht einbezogen. Und so geschieht es, dass in einer Siedlung, in der fast alle Häuser ein Satteldach aufweisen, plötzlich ein Gebäude mit Flachdach stehen kann. Darin kann man ein Problem sehen, oder eben auch nicht.

Wenn man darin ein Problem sieht, könnte man seitens des Gemeinderates eine sogenannte »Gestaltungssatzung« erlassen. Über eine solche Satzung wären unter bestimmten Voraussetzungen auch Vorgaben z.B. zur Dachgestaltung zulässig. Ob eine solche Gestaltungssatzung für Holzkirchen sinnvoll ist, oder nicht, darum ging es im Kern unserer Sondersitzung.

Mit Kreisbaumeister Pawlovsky, Kreisheimatpfleger Bauer und Architekt Boiger wurde uns entsprechender Sachverstand an die Seite gestellt. Zunächst haben wir vor Ort, am Bauprojekt, diskutiert.

Pech für die Befürworter von Gestaltungssatzungen, dass beim ersten Beispiel in der Jahnstraße (siehe Architektouren 2013) im Prinzip alle der Meinung waren, dass ausgerechnet das neue – radikal von der Norm abweichende – Haus die eindeutig beste und gefälligste Architektur aufweist. Aber es gab mit den jüngst unmittelbar an die Straße gebauten Reihenhäusern in der Tölzerstraße (mit Satteldach!) auch das Gegenbeispiel.

In einer sehr diszipliniert und am Grundsätzlichen orientierten Debatte im Gemeinderat konnte schließlich herausgerabeitet werden:
  • Gestaltungssatzungen sind nur für eng umgrenzte, »einheitliche« Quartiere zulässig.
  • Gestaltungssatzungen bergen die Gefahr, Mittelmaß festzuschreiben.
  • Will man aber die Qualität der Architektur heben, muss man auch und gerade die Spitze zulassen.
Die Quintessenz: »Über rechtliche Normen kann man die Qualität der Architektur nicht heben« – so die einhellige Aussage aller Fachleute. Lediglich Kreisbaumeiter Pawlovsky konnte sehr eng gefassten Satzungen, insbesondere zu »homogenen Dachformen«, etwas abgewinnen.
Diesbezüglich schaue man sich in Holzkirchen einmal um. Einheitlich?

Gerade als Vertreter eines Berufsstandes, dessen Vertreter mehrheitlich über 150 Jahre lang mit Erfolg versucht haben die deutschen Wälder zu »homogenisieren«, nur um dann feststellen zu müssen, dass gerade solche Einheits-Wälder vom Wind geworfen, vom Borkenkäfer gefressen und vom Schnee gebrochen werden, sei es mir nachgesehen, dass ich eher in der Vielfalt einen Wert sehen kann, denn in der Homogenität.

Die Einführung von Gestaltungssatzungen ist in Holzkirchen mit großer Mehrheit abgelehnt worden.

Das aber heißt nicht, dass wir nicht andere Wege gehen müssen, um in Holzkirchen gute Architektur auf den Weg zu bringen. Darin bestand Einigkeit.

Beschlossen wurde:
  • Bei Neubaugebieten vor dem Erlass von Bebauungsplänen im Einzelfall auch Architektenwettbewerbe vorzuschalten. Wettbewerb hebt Qualität.
  • Bei § 34 Baumaßnahmen über den Weg der Beratung zu versuchen, ev. Fehlentwicklungen zu vermeiden. Ein Zusammenschluss von Miesbacher Architekten bietet hier seine Hilfe an.
  • Die Verwaltung anzuhalten, bei städtebaulich bedeutsamen Bauten nach §34 den Gemeinderat einzuschalten, so dass – z.B. über eine Veränderungssperre – die Notbremse gezogen und Einfluss genommen werden kann.

Eine sehr gelungene Sondersitzung des Gemeinderates, wie ich finde. Vielleicht auch ein Hinweis darauf, dass wir uns öfters die Zeit für grundsätzliche Fragen gönnen sollten.

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