Jedes Gemeinderatsmitglied von Bündnis 90 / Die Grünen hat sich nach sorgfältiger Überlegung und Abwägung dazu entschlossen, für die Geothermie zu stimmen.
Rede von Gemeinderat und Fraktionssprecher Robert Wiechmann in der Sitzung des Marktgemeinderates (aus der Erinnerung, geringe Abweichungen möglich):
»Sehr geehrte Damen und Herren,
wer als Gemeinderat in jedem Falle vermeiden möchte, an einer eindeutig quantifizierbaren »Fehlentscheidung« beteiligt zu sein und diese Vorgabe als wichtigsten Maßstab für sein politisches Handeln und Abstimmungsverhalten sieht – der muss bei der heutigen Entscheidung unbedingt und sehr eindeutig mit »Nein« stimmen. Wer seine Entscheidung am Wohle des Marktes Holzkirchen und seiner Bewohner und Bewohnerinnen festmachen möchte, hat es leider nicht ganz so einfach.
Ich darf mich im Namen der Fraktion bei der Verwaltung, bei den Gemeindewerken und den Beratern für die in unseren Augen sehr professionelle Vorbereitung der heutigen Sitzung sehr herzlich bedanken. Ob im Rahmen der Exkursionen zu den verschiedenen Geothermiestandorten, den Vorträgen der Experten oder einfach nur durch die Möglichkeit der Rückfrage bei den Gemeindewerken und Beratern – jeder konnte in den letzten Wochen wirklich alle Fragen loswerden und bekam diese auch qualifiziert beantwortet.
Dennoch bilden wir Grüne uns auch nach Jahren der Vorbereitung nicht ein, zu Geologen, Finanzfachleuten oder Bohrexperten geworden zu sein. Sicher sind wir uns allerdings, als grüne Gemeinderäte an jeder Wegegabelung, bei jeder neuen Entscheidung in einem mehrjährigen Gesamtprozess, darauf geachtet zu haben, dass der jeweils sicherste Weg eingeschlagen und keine Abkürzung über einen ungesicherten Höhensteig genommen wurde. Der Vergleich sei mir erlaubt, da ich absolut nicht schwindelfrei bin ...
Absicherung
So haben wir
- viel Geld in die Hand genommen, um zur Absicherung eine 3-D Seismik erstellen zu lassen. Dies, wiewohl durch die Erdölbohrungen in unserem Raum tatsächlich schon eine gute geologische Datengrundlage vorhanden war.
- die Wirtschaftlichkeitsberechnungen selbstverständlich von dritter Seite gegenrechnen lassen, um nur ja nicht den Vorwurf der Schönfärberei aufkommen zu lassen.
- die geologischen Gutachten durch das Leibnizinstitut gegenchecken lassen.
- den Experten und Beratern immer wieder kommuniziert, dass sie keinesfalls optimistisch rechnen, sondern eher von »bad case-Szenarien« in allen Bereichen ausgehen sollen.
- eine Bauleistungsversicherungen vorgesehen und bei den Kosten einberechnet.
- das bisherige Konzept noch einmal völlig umgeworfen. Wir hätten niemals einer Strategie zugestimmt, die auf technisch nicht ausgereiften Pumpen basiert. Das jetzt zu beschließende Konzept basiert auf schmaleren Bohrdurchmessern und bewährter Pumpentechnologie. Für ein Mehr an Sicherheit nehmen wir ein Weniger an Leistung in Kauf: »Small is beautifull«.
Eine Ausgabe von 11 Mio € für die erste Bohrung riskiert man bestimmt nicht leichtfertig. Wenn ich als Beamter auf meinen Lohnzettel schaue, tue ich mich schon schwer, mir solche Summen auch nur vorzustellen. Richtig ist aber auch, dass dieses Volumen für die Marktgemeinde nicht ganz ungewöhnlich ist. So wurde z.B. auch für die Nordumfahrung über 10 Mio € bezahlt; da hat niemand – schon gar nicht die Freien Wähler – nach der Rentabilität gefragt. Und allein in den letzten Jahren haben wir wohl gut 12 Mio € für den Bau von Kindertagesstätten ausgegeben. Gut so.
- die Frage des Terminplanes befriedigend beantwortet bekommen. Wenn wir nicht bis zum 1.1.2018 an das Netz gehen können, sinkt zwar die Rentabilität – aber das Projekt steht nicht grundsätzlich vor dem Aus. Einem Szenario mit einem Stichtagsrisiko hätten wir niemals zustimmen können.
Ich möchte damit nur zum Ausdruck bringen, dass die vorgesehene Summe für den Markt so ungewöhnlich nicht ist, die Leistungsfähigkeit der Marktgemeinde keinesfalls auf dem Spiel steht. Andernfalls stimmten wir als Grüne dem Projekt niemals zu.
Wir haben abgesichert, was wir absichern können. Das war und ist uns wichtig. Dennoch bleibt ein Risiko. Das aber war von Anfang an klar. Dazu gibt es im Kern heute überhaupt nichts Neues zu vermelden. Ob man diese Risiko eingeht, hängt nätürlich auch von den sich bietenden Chancen ab.
Chancen nicht etwa für einen Energieversorger oder privaten Investor, sondern für unsere Bürger und Bürgerinnen. Die Haben-Seite für unsere Bürgerschaft ist nach unserer Auffassung sehr eindeutig:
Chancen
- Der Betrieb des Kraftwerks ist über das EEG über 20 Jahre abgesichert und damit sicher kalkulierbar. Das EEG ist die Grundlage der Refinanzierung. Der Betrieb ist ausdrücklich nicht an eine wesentliche Steigerung der Wärmeabnahme gekoppelt.
- Zum Ende der Laufzeit wurde der Neubau eines Kraftwerkes einkalkuliert, das gemeindliche Wärmenetz ist ausgebaut.
- Während der Laufzeit sind bei einem »business case-Szenario« zusätzlich Gewinne von 16 Mio € an die Gemeinde, bzw. die Gemeindewerke vorausberechnet. Geld, das allen Bürgern zu Gute kommen kann.
Meine Damen und Herren,
- Die Marktgemeinde erhält eine sichere regenerative Energiequelle vor Ort und wird von der Lieferung von Rohstoffen aus anderen Staaten unabhängiger. Bis zu einem Drittel des Gesamtbedarfes Strom und bis zur Hälfte des Wärmebedarfs kann das geplante Werk abdecken. Anders ausgedrückt können bis zu 50.000 Liter Öl am Tag eingespart werden.
auch die Nichtwahrnehmung von Chancen kann ein riesiger Fehler sein, auch wenn nie so genau quantifizierbar sein wird, wie in unserem Fall die Nichtfündigkeit.
Nach sehr, sehr sorgfältiger Abwägung stimmt unsere Fraktion geschlossen für das Projekt – in dem Wissen, dass ein Restrisiko bleibt, scheitern zu können.«
Holzkirchner Merkur, 2. Mai 2015 |
Alle Posts zu Geothermie und Energie.
Hier zur ausgezeichneten Pressemitteilung des OV Holzkirchen (Website des KV Miesbach).
In der Holzkichner Stimme gibt es einen guten Beitrag von Sascha Müller: »Riskant aber richtig«.
Zum aktuellen Post.