In der Mehrzahl aller Fälle diskutieren wir im Gemeinderat nüchtern Pro und Contra, tauschen Argumente aus, finden einen Kompromiss oder treffen eine Mehrheitsentscheidung, die es dann halt zu respektieren gilt. So macht die Arbeit im Gemeinderat ganz überwiegend Freude. Wäre es anders, hielte man die Belastungen dieses Ehrenamtes wohl nur schwerlich aus.
Leider gibt es Ausreißerthemen, bei denen bestimmte Gemeinderäte ganz überwiegend emotional agieren und echten Argumenten nicht mehr zugänglich sind. Das erleben wir Grüne dann als sehr unbefriedigend.
Die Änderung des Bebauungsplans Nr. 40 für das Postbräugelände war ein solcher Fall.
Postbräu: Brennpunktprojekt seit 2006
Bereits im Rahmen der ersten Ortsentwicklungsplanung 2005 - 2006 wurde das Postbräuareal von der Bürgerschaft als »Brennpunktprojekt« identifiziert. Kein Wunder: Eine Bauruine mitten in Holzkirchen ist nicht attraktiv. Auch alle ökologischen Gesichtspunkte sprechen für den Vorrang der Nachverdichtung im Zentrum der Marktgemeinde vor der Ausweisung neuer Wohngebiete auf der grünen Wiese.
Diffuse Vorbehalte
Wir Grüne winken weder Entscheidungen durch, weil der Bauwerber »ein guter Mann ist«, noch blockieren wir Maßnahmen, weil ein Eigentümer – aus welchen Gründen auch immer – einen schweren Stand in Holzkirchen hat. Wir bewerten Projekte grundsätzlich unabhängig von der
Fragestellung, welche Person oder Gruppierung von der Entscheidung
finanziell profitieren könnte. Uns geht es ausschließlich um die Sache, um das Gemeinwohl in Holzkirchen. In den letzten Jahren wurde bei den Diskussionen um das Postbräuareal immer wieder sehr deutlich, dass einige Gemeinderäte in ihrem Denken von grundsätzlichen Vorbehalten gegen den (vormaligen) Eigentümer bestimmt werden. Der hätte was auch immer an Planungen vorlegen können – ein Teil des Gemeinderats wäre immer grundsätzlich dagegen gewesen. So jedenfalls unser subjektives Erleben. Das ist anstrengend und kein Ruhmesblatt für das Gremium Gemeinderat. Zumal diese Vorbehalte natürlich nicht offen ausgesprochen werden. Nein, man verbrämt das Ganze mit Argumenten, die allerdings zumeist leicht widerlegbar sind.
Verfahren Bebauungsplan: Und ewig grüßt das Murmeltier?
Bebauungspläne und deren Änderungen werden nicht von heute auf morgen entschieden. Der ein oder andere mag das Verfahren sogar als lähmend langsam erleben. Der Vorteil der komplizierten Prozedur aber ist, dass eben tatsächlich alle Aspekte einfließen können, die qualifiziert vorgebracht werden. Ein einfaches »ich bin dagegen« nützt natürlich nichts. Die Träger öffentlicher Belange, z.B. die Behörden, deren Fachbereiche berührt sind, geben Stellungnahmen ab. Ggf. werden Gutachten einfordert oder Auflagen gesetzt, Betroffene können ihre Belange vorbringen, etc.
Werden wesentliche Änderungen eingearbeitet, z.B. aufgrund einer fachlichen Stellungnahme, einer Forderung aus der Bauverwaltung oder dem Gemeinderat, eines Betroffenen ... geht alles von vorne los: Der Bebaungsplan wird erneut öffentlich ausgelegt. Die Bauverwaltung versucht den bürokratischen Aufwand zu minimieren, indem sie Stellungnahmen eigentlich nur noch für die jeweils eingearbeiteten Änderungen zulässt. Nicht alle halten sich daran.
Und der Gemeinderat in diesem Falle leider auch nicht.
Nur so ist es zu erklären, dass mit jeder erneuten Vorlage der Änderung des Bebaungsplans im Gemeinderat die immer gleichen Grundsatzdiskussionen enflammten, obwohl zuletzt nur noch Kleinigkeiten eingearbeitet wurden, wie der behindertengerechte Ausbau des Spielplatzes und Abstandsregelungen zu Alleebäumen.
Und so mussten wir unter anderem gefühlt zehnmal diskutieren, ob wir im Zusammenhang mit dem Bau nicht doch eine Querverbindung von der Thannerstraße zur Tegernseerstraße einfordern könnten. Immer wieder auf's Neue – ohne, dass sich wirklich neue Argumente oder Fakten ergeben hätten. Das haben wir als nicht zielführend, ja teilweise als unwürdig für alle Beteiligten erlebt.
Gut, dass es uns Grüne gibt
Wir sind froh, dass die Kuh nun vom Eis ist. Die Gemeinde hat endlich die Rahmenbedingungen für die künftige Entwicklung des Postbräuareals verbindlich festgelegt. Wenn jetzt nichts passiert, liegt es nicht mehr an der Gemeinde, sondern ausschließlich an den Eigentümern.
Der Auftrag der Bürgerinnen und Bürger von 2006 ist erledigt, wenn auch leider nur mit knapper Mehrheit: 13 zu 11.
Schlussfolgerung: Ohne uns vier Grünen passierte mit der Zentrumsruine in den nächsten Jahren auch weiterhin rein gar nichts. Nun besteht wenigstens die Chance für eine Aufwertung der Ortsmitte.
Untenstehend finden Sie noch einige Fakten zum Bebauungsplan Nr. 40.
Eingestellt von Robert Wiechmann.
Bericht im Holzkirchner Merkur: »Postbräuareal: Dünne Mehrheit für Bebauung«.
Alle Posts zu Ortsentwicklung.
Alle Posts zu Bürgerbeteiligung, Gemeinderat und Ehrenamt.
Alle Posts zu Flächenverbrauch.
Zum aktuellen Post.
Anhang: Fakten zur Änderung des Bebaungsplans Nr. 40
Zum Thema Verkehrbelastung: Für das eigentliche Postbräugelände bestand bereits Baurecht für ein Mischgebiet. Das wurde in der Diskussion oftmals völlig unter den Tisch gekehrt. Der neue Bebauungsplan sieht nun v.a. Wohnbebauung vor. Diese wurde teilweise mit dem Argument einer erhöhnten Verkehrsbelastung abgelehnt. Wäre gewerblicher Verkehr denn an dieser Stelle wünschenswerter? Seltsam auch, dass das Verkehrsargument von den betreffenden Gemeinderäten nicht kommt, wenn es um Planungen auf der grünen Wiese geht.
Gemeindegrund Recyclinghof: Dieses gemeindliche Grundstück ist sinnvollerweise in den Bebauungsplan einbezogen. So werden nachbarrechtliche Streitigkeiten von vornherein vermieden, Kosten, u.a. durch den Bau von Gemeinschaftseinrichtungen (Spielplatz), gespart. Auch hier ist Wohnungsbau vorgesehen. Wir brauchen Flächen für altersgerechtes Wohnen gerade in Zentrumslage. Kurze Wege, fußläufig erreichbare Versorgungseinrichtungen. Auch dieser Bestandteil des Plans wurde von einigen Gemeinderäten wegen eines künftig angeblich zu hohen Verkehrsaufkommens abgelehnt. Aber: Ist der Verkehr zum Recyclinghof und zum Eisstadion denn ein besserer/geringerer? Übrigens: So bald baut die Gemeinde hier nicht, das Eisstadion ist durch den Bebaungsplan nicht gefährdet. Und die Details unserer Planung können selbstverständlich noch diskutiert und verändert werden. Wir haben als Gemeinde ja die Planungshoheit.
Keine Straße von der Thanner zur Tegernseer Straße: Zu dieser Frage wurde im Rahmen der Aufstellung des Bebbaungsplans sogar ein eigenes Gutachten in Auftrag gegeben. Ergebnis: Die Querverbindung als Straße für Autos (!) ist aus Sicht der Gutachter nicht zielführend.
Für was gibt man teure Gutachten in Auftrag, wenn man nicht bereit ist dessen Ergebnisse anzuerkennen? Zudem gehört der dafür notwendige Grund gar nicht den Eigentümern des Postbräuareals. Das aber schert die Befürworter nicht: »Gleiche Familie, irgendwie – das langt«. Uns langt das nicht, da wir nicht in Sippenbeziehungen denken.
Verbindung für den Rad- und Fußverkehr: Mit der der jetzt vorgelegten Planung gibt es einen neuen Durchstich für den Rad- und Fußverkehr von der Thannerstraße zur Daisenbergerstraße. Gut so, das ist sinnvoll!